Wie Fürst Blüchers Schwarzer Adlerorden nach Tirol kam.

Von Paul Bellardi (Berlin).

An einem der ersten Frühlingstage des Jahres 1809 war es- da schritten zwei junge Tiroler, prächtige, kernige Gestalten, die Straße von Zell am Ziller abwärts über Fügen nach Jenbach zu. Ihr Ziel war das ferne Pustertal, von wo ihnen ihr Vetter Josef Speckbacher Kunde gesendet hatte, daß der Sandwirt Andre Hofer mit Martin Teimer, Peter Mayr und dem Kapuziner Joachim Haspinger Rat gehalten, und daß der Befreiungskampf gegen die Franzosen und Bayern beschlossen sei. Der achtzehnjährige Jakob Riedl und sein um neun Jahre älterer Bruder Sebastian, Söhne eines Gerbers zu Ried im oberen Zillertale, hatten sich auf jene Botschaft hin sofort fertig gemacht, die Büchse wohlverborgen unter dem grauen Lodenmantel,von Vater, Mutter und den acht Geschwistern -vielleicht auf Nimmerwiedersehen— Abschied genommen. Nicht lange blieben die Brüder allein;

in Kaltenbach, Uderns, Fügen Schlitters fließen andere zu ihnen, dem gleichen Ziel entgegeneilend, und als am Iselberg hinter Innsbruck Musterung gehalten wurde, zählte die Schar 88— kräftige, junge Männer aus· dem Zillertale, die bereit waren, ihr Leben für die Freiheit des Vaterlandes einzusetzen.

Mit offenen Armen wurden sie von den Führern aufgenommen, insbesondere die beiden Vettern Speckbachers. Sebastian Riedl, der Aeltere, erwarb sich

sehr bald das unbedingte Vertrauen Hofers. Von großer Bedeutung war diesem die Herstellung möglichst rascher und sicherer Verbindung der einzelnen Gruppen des Volksheeres, um Botendienst aber konnten nur durchaus zuverlässige und erprobte Männer verwendet werden, und Sebastian wurde dazu ausersehen, diesen Nachrichtendienst zu organisieren und zu überwachen. Die wichtigsten und gefährlichsten Wege machte er selbst und hundertmal sah er dabei dem Tode ins Auge. 1810 wurde —vergeblich — ein hoher Preis auf Sebastian Riedls Kopf gesetzt.

Als im Jahre 1813 der Krieg Rußlands und Preußens gegen Napoleon begann, schöpften die Tiroler Patrioten neuen Mut und schickten den wackeren Zillertaler als ihren »Gesandten« in das Hauptquartier der Verbündeten. Am 19. Mai wurde er vom Kaiser Alexander im Lager von Wurschen persönlich empfangen; in einem mir vorliegenden Briefe Riedls an seine Frau gibt er eine

begeisterte Schilderung von des Kaisers Person und seinem Interesse für das Schicksal des geknechteten Landes —- "seine Hand gab mir der hohe Herr darauf, das er für uns sorgen werde!" Mit wichtigen Depeschen ging Riedl dann nach Reichenbach, wo ihm König Friedrich Wilhelm III. von Preußen jene Versprechungen wiederholte. 

Schon im Jahre vorher hatte Riedl versucht, den englischen Hof für sein armes Volk zu interessieren; nach Dreimonatlichem Aufenthalte in London nahm er die Zusicherung mit, daß bei einem Friedensschlusse England dafür eintreten wolle, daß Tirol wieder mit Oesterreich vereinigt werde.

Der jüngere Bruder, Jakob Riedl, war beim Volksheer verblieben und hatte an allen bedeutenderen Kämpfen mit großer Auszeichnung teilgenommen.

Aus jener Zeit stammt ein »Zeugnis« Speckbachers, dessen Urschrift noch beute in der Familie Riedls aufbewahrt wird:

"Ich bezeige den Jakob Riedl, daß der Selbe,

Bei del Affehre auf den Mehrecke, in Tvrol, 1809,

durch seine wahrschlich Tapferkeit und guten Führung seiner Jäger ganz allein zu verdangen habe, daß ich nicht in die Gefangenschaft des Feindes geraten bien; auch bey allen Gefechte zeichnete sich der Jakob R. aus.

 

Speckbacher,. Obercommandant des unter-innthal und Wirklicher Marjohr"

 

Als Andre Hofer, nicht minder groß im- Sterben wie im Leben, auf den Wällen von Mantua geendet hatte, verließen viele seiner Getreuen auf Schleichwegen das Vaterland. Jakob Riedl wandte sich nach Berlin, wo er bald für seine geflüchteten Landsleute den Mittels und Sammelpunkt bildete und durch sein freimütiges, originelles Wesen, wie durch seinen glühenden Franzosenhaß die Teilnahme weiter Kreise erregte.
Als am 8. Februar 1813 der Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps erging,
litt es auch die tapferen Tiroler nicht länger.
Am 7. April erschien in der »Vossischen Zeitung«

folgende Bekanntmachung des Staatsrates Grafen zu Dohna:

 

>>Jakob Riedl aus Tirol wird mit höherer Bewilligung eine Scharfschützenkompagnie errichten, welche, eine eigentümliche Kleidung tragend, bestimmt ist, sich dem unter den Befehlen des Herrn Major von Lützow stehenenden Königl. Preuß. Freikorps anzuschließen. Bei dieser Scharfschützenkompanie,die bereits einen Stamm von ausgesuchten Leuten hat, können sich wohlgeübte, mit Büchsen versehene

Tyroler melden Diejenigen, welche dieß für die große Angelegenheit des Vaterlandes wichtige unternehmen ihrer besonderen Aufmerksamkeit werth achten, wollen ihre Beiträge an genannten Jakob Riedl unter der Bezeichnung: " für die Scharfschützenkompanie der Schwarzen Schaar" einsenden<<

 

Die Tiroler, 256 an der Zahl, sin die einzige Truppe gewesen, welche in eigener Nationalkleidung an den Befreiungskriegen teilgenommen hat.

 

Die Kompanie wurde dem zweiten Battalion des Lützow´schen Freikorps zugeteilt; sie wählte Jakob Riedl zu ihrem Führer (Hauptmann); Ennemoßer, einst Hofers Geheimschreiber und später Professor an den Universitäten Bonn und München, wurde Leutnant, während Sebastian Riedl bescheidend als Oberjäger diente.

Der Hauptvorzug lag in der außerordentlichen Sicherheit, mit welcher sie ihre Büchse handhabten - Ihr Führer galt damals und noch lange nachher als Schütze unübertroffen in der Armee. Eine militärische Autorität schreibt 1826:

 

"mit einem Tiroler Doppelhaken schoss Hauptmann Riedl 2000 Fuß, mit seiner Gemsenbüchse 1000 Fuß und parierte selbst mit seinen Kuchenreuter´schen Pistolen auf 400 Fuß den Nagel in der Scheiben"

Die Tiroler Scharfschützen machten den ganzen Feldzug 1813 und 14 mit und wurden vielfach ausgezeichnet. Unter den Ausdrücken erhielten sie nach dem ersten Pariser Frieden ihren Abschied, obgleich Lützow, wie er an den General v. Bühlow schrieb. "dieße Tapfere mit der Büchse excellierende Truppe nur sehr ungern verlor". Ein Teil kehrte in die heimatlichen Berge zurück, ein anderer suchte in Preußen seinen bleibenden Wohnort, wurde von Riedl nach Berlin geführt und dort entlassen. Riedl hatte neben der Militär-Verdienstmedaille das Eiserne Kreuz, den russischen St. Annen- und den schwedischen Schwertorden erhalten. Bald nach dem frieden verehelichte er sich mi Amalie von Bernard, der Tochter eines preußischen Stabscapitäns, und rüstete sich zur Heimkehr nach Tirol.

 

Kurz nach dem zweiten Pariser Frieden war’s, da gab Feldmarschall Blücher einer Anzahl Kameraden ein Abschiedsfest, und Hauptmann Riedl war ebenfalls dazu geladen. Als die Wogen der Begeisterung hochgingen, und der Wein die Zungen gelöst hatte, rückte Riedl zum alten Blücher heran-:

"Vater Blücher, wenn ich doch ein Andenken von dir hätte, und wenn´s auch nur ein fetzen von Deinem Jankerl wär!" Lachend zog Blücher seinen Husaren-Attila von der Schulter und reichte ihn samt dem aufgehefteten Stern zum Schwarzen Adlerorden dem überglücklichen Tiroler:" Hier Kamerad, hast mein Jankerl!" 

 

Jakob Riedl zog nun mit seinem jungen Weibe nach der geliebten Heimat zurück; in Schwaz an der Ausmündung des Zillertales in das Inntal, siedelte er sich an und erwarb den Truferhof samt den "adeligen Ansitz" Glinn. Als aber eigener Wunsch  und das Heimweh seiner Gattin ihn veranlaßten, nach Preußen zurückzugehen überließ er seinem im Kirchspiel Fügen ansäßig gewordenen Bruder Sebastian die kostbare Reliquie.( Darin liegt wohl der Grund, das Joh.Jak. Staffler in seinem Werke "Das deutsche Tirol und Voralberg" die beiden Brüder verwechselt und Sebastian als denjenigen bezeichnet, der das eigentümliche Geschenk von Blücher erhalten habe.)

Der überwies den Attila der Kirche in Fügen, wo er aufgehängt und wie eine Siegestrophäe geehrt wurde.
Als Sebastian am 3. Februar 1821 gestorben war,  nahm sein Sohn (gleichen Namens) das "Jankerl" an sich;  die Motten hatten ihm arg zugesetzt,
und Raritäten sammelnde Fremde schnitten ein Stück nach dem andern ab. Zuletzt blieben nur noch der Orden und die massiv silbernen Knöpfe übrig,
die er hinter Glas und Rahmen treulich verwahrte.

 Jakob Riedl war in Preußen verblieben; am 8. September 1840 machte ein schneller Tod seinem beweglichen Leben ein Ende. Die Ernennung zum Königlichen Oberförster traf ihn auf dem Sterbebette.

Als mich im Jahre 1893 zum ersten Male mein Weg nach Tirol führte, veranlaßte mich meine Gattin, eine Enkelin Hauptmann Riedls, die zerrissenen Fäden zwischen Berlin und dem Zillertale neu zu knüpfen und auch nach Blüchers Orden zu forschen.  

Den fand ich denn auch, und der greise Sebastian Riedl in Uderns übereignete mir die kostbare Reliquie. Heute hängt sie, würdig gefaßt,über meinem Arbeitstische, erinnernd an längst-

vergangene große Zeiten und an wackere Männer, die ihrer wert waren.

Nachtrag:

 

Heute liegt der schwarze Adlerorden und sämtliche Dokumente im Ferdinandeum zu Innsbruck.

Uns liegen alle Dokumente als Kopie vor.

Wir haben den Text aus urhebereichen gründen nicht verändert, 

Quellen: